Sie sind noch ein großes Mysterium und es ist unglaublich kompliziert zu verstehen, was sich dahinter auch nur ansatzweise verbirgt: Schwarze Löcher. „Die Wissenschaftsreporter“ haben uns in dieser Folge trotzdem genau deshalb an dieses spannende Thema gewagt – wir wollen es möglichst verständlich erklären.
Unsere Fragen haben wir Dr. Stefan Gillessen vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching gestellt. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team von Prof. Dr. Reinhard Genzel, der für seine Forschungen zu Schwarzen Löchern mit dem Nobelpreis für Physik 2020 ausgezeichnet wurde. Den Wissenschaftlern rund um Prof. Genzel war im April 2019 zum ersten Mal der indirekte Beweis gelungen, dass Schwarze Löcher überhaupt existieren: Eine wissenschaftliche Sensation!
Was ist ein Schwarzes Loch?
Eine sehr hohe Masse, die auf einem sehr kleinen Punkt, der sogenannten Singularität, konzentriert ist. Betrachten wir einen kugelförmigen Planeten mit Masse und somit auch Schwerkraft, zum Beispiel die Erde, und lassen ihn, bei gleichbleibender Masse, auf die Größe einer Murmel zusammenschrumpfen. Die Oberfläche wird kleiner, die Schwerkraft aber größer. Die Fluchtgeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit, die benötigt wird, um das Objekt zu verlassen, wird dementsprechend ebenfalls größer. Ist die Oberfläche irgendwann so klein, dass die Fluchtgeschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit entspricht, dann erscheint das Objekt schwarz. Gleichzeitig wissen wir, dass es sich bei diesem Objekt um ein Loch handelt, da sich nichts schneller als Licht bewegt und somit auch nichts aus diesem Objekt mehr heraus gelangen kann – das Schwarze Loch „schluckt“ sozusagen alles, was hineingelangt.
https://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/schwarzes-loch/429
Albert Einstein als Pionier
Albert Einstein formulierte 1915 seine berühmte Relativitätstheorie. Sie beruht auf dem Gedanken, dass alles relativ ist. Hier ein Gedankenexperiment: Ein Mensch steht an einem Bahnhof und sieht, wie ein Zug an ihm vorbeifährt. Ein Mensch, der in dem Zug sitzt, denkt hingegen, dass der Bahnhof sozusagen an dem Zug vorbeifährt. Die Frage ist also: Welche Wahrnehmung ist richtig? Albert Einstein sagt darauf: Beide. Denn Bewegungen hängen immer von ihrem Betrachter und dessen Stellung beziehungsweise Standpunkt zum System ab.
Auch auf große Fragen des Universums, also zum Beispiel auf schwarze Löcher, hat Einstein seine Relativitätstheorie übertragen. So kommt er zu dem Schluss, dass Körper, die sich auf eine Masse zu bewegen eine Beschleunigung der Schwerkraft dieser Masse erfahren – ihrer eigenen Geschwindigkeit kommt also noch die der Masse beziehungsweise des Objekts hinzu, dem sie sich nähern. Außerdem sagt die Theorie, dass Raum und Zeit keine Konstanten wie hier auf der Erde sind, sondern eine beeinflussende und beeinflussbare Raumzeit darstellen. Diese Raumzeit wird durch solche super-schweren Objekte wie Schwarze Löcher so stark gekrümmt, dass nicht einmal Licht entweichen kann.
Der Nachweis
Da Schwarze Löcher nicht so ohne weiteres mit Licht beobachtet werden können, gibt es zwei indirekte Methoden, um Schwarze Löcher nachzuweisen:
1. Die spektro-relativistische Verifikation: Schluckt ein Schwarzes Loch Materie, Licht, etc., so heizt sich seine Umgebung auf und es wird Röntgenstrahlung ins All gesendet. Diese ist auch auf der Erde nachweisbar.
2. Die kinematische Verifikation: Dabei wird die Umlaufbahn einzelner Objekte, z.B. Sterne oder Planeten gemessen. Mit dieser Berechnung lässt sich dann darauf schließen, ob das Objekt, um welches das Objekt wiederum kreist, möglicherweise ein Schwarzes Loch ist.
Die Experten vom Max-Planck-Institut in Garching nutzten zum Nachweisen des Schwarzen Loches in der Milchstraße, also der Galaxie, in der sich das Sonnensystem mit unserer Erde befindet, die kinematische Verifikation. Mit ihrer Hilfe beobachteten sie den Stern S2, der um das Zentrum unserer Milchstraße kreist, fast 30 Jahre lang. Nachdem die Forscher genug Daten gesammelt hatten, konnten sie sehr schnell, unkompliziert und mit großer Sicherheit sagen, dass das Objekt, um welches S2 kreist, ein Schwarzes Loch ist. Es ist 4,3 Millionen mal so schwer wie unsere Sonne.
Forschung in Chile
Um die Bahn des Sterns S2 beobachten zu können, haben die Forscher eine Teleskop-Gruppe in der Atacama-Wüste in Chile verwendet. Dieses wird von der europäischen Südsternwarte (ESO) betrieben und befindet sich auf dem Berg Paranal in 5000 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Die Gegend dort ist in weiten Teilen unbesiedelt und ist extrem trocken. Beste Voraussetzungen also, um die Geheimnisse unseres Universums zu erforschen, da weder Licht noch Staub die Sicht verschmutzen. Unser Experte Dr. Stefan Gillessen war und ist maßgeblich an der Entwicklung der Geräte beteiligt. In den letzten Jahren war er ungefähr 50 mal in Chile.
Die drei wichtigsten Geräte für die Beobachtung von S2 heißen Gravity, Sinfoni und Naco. Gravity, ist ein Interferometer und kombiniert die vier Teleskope der ESO mit 8 Meter Durchmesser zu einem Teleskop mit 130 Metern Durchmesser. Dadurch entsteht eine 15-mal höhere Auflösung, die unbedingt notwendig ist für die genaue Beobachtung von S2. Die ersten Male war es für ihn immer wieder umwerfend, den funkelnden und spektakulären Sternenhimmel zu sehen: „Da wird einem erst richtig bewusst, dass die Erde ein so kleiner Teil des großen Ganzen ist und wie viele andersartige Objekte es gibt, die wir nie entdecken werden“, erzählte er uns.
Das erste Foto
Im April 2019 machten Forscher das erste Bild eines Schwarzen Loches, genauer genommen seines Schattens. Auf dem Bild erkennt man es aus dem Zentrum der Galaxie M87, die 55 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist und etwa 6,5 Millionen mal so schwer ist wie unsere Sonne. Man erkennt den Schatten des Schwarzen Loches und einen hell leuchtenden Ring: Das ist Materie, die sich um das Schwarze Loch bewegt. Gelungen ist das durch Very- Long-Baseline-Interferometrie. Bei dieser Technik koppelt man mehrere Teleskope, in diesem Fall acht Stück auf vier unterschiedlichen Kontinenten, um ein sehr großes Teleskop mit noch größerem Durchmesser und vor allem besserer Auflösung zu bekommen. Zum Vergleich: Hätten menschliche Augen eine solch hohe Auflösung, so könnten wir von Bonn aus eine Zeitung in New York lesen.
Ob das Bild des Schwarzen Loches der Beweis für die Existenz von Schwarzen Löchern ganz allgemein ist, wird kritisch betrachtet. Während viele Forscher das Foto für einen echten Beweis halten, sagt beispielsweise unser Experte Dr. Gillessen, dass es auch die Abbildung eines anderen supermassereichen Objekts sein könnte. Das Bild ist aber auf jeden Fall ein großer Schritt in der Erforschung unseres Universums, denn alles, was man auf dem Bild beobachten kann, stimmt erstaunlich gut mit den Aussagen Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie überein.
https://futurezone.at/science/sensation-perfekt-das-erste-bild-vom-schwarzen-loch/400463017
https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/news/2019/erstes-foto-eines-schwarzen-lochs/
Nützen sie den Menschen?
Caroline hat folgende Idee, Schwarze Löcher zu nutzen: Sie als Müllschlucker zu verwenden. Um unseren Müll aber erst einmal zu dem der Erde am nächsten gelegenen Schwarzen Loch zu transportieren, das 26.000 Lichtjahre entfernt ist, müssten wir so viel Aufwand betreiben, dass es wirklich sinnvoller ist, den Müll auf der Erde zu vermeiden. Doch die Forschung an Schwarzen Löchern bringt uns Menschheit auf eine ganz andere Weise weiter. Wir kommen der Frage, wie unsere Naturgesetze funktionieren ein großes Stück näher – und können so lernen, den Ursprung unserer Existenz besser zu verstehen.
Unser Fazit
Ein Schwarzes Loch hat ganz eigene Regeln, die sich von unseren auf der Erde stark unterscheiden, deshalb müssen Wissenschaftler auch ganz neue Methoden anwenden, um Schwarze Löcher zu erforschen. Gerade in den vergangenen zwei Jahren haben sie allerdings große Fortschritte erzielt: Zum einen wissen sie nun, dass sich im Zentrum unserer Milchstraße mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schwarzes Loch befindet. Zum anderen ist es ihnen zumindest indirekt gelungen, ein Foto davon zu machen. Es gibt aber ungelöste Rätsel: was verbirgt sich hinter dem Ereignishorizont? Wird man den Punkt erforschen können, hinter dem alles verschluckt wird?
Unser Podcast:
Zu Besuch bei Nobelpreisträgern – Was sind Schwarze Löcher?